Wo sind sie denn alle?

Warum hatten wir bisher noch keinen Kontakt? Diese Frage stellte sich ein Physiker schon vor gut 70 Jahren.

Als sich im Sommer 1950 der Physiknobelpreisträger Enrico Fermi mit Edward Teller, dem Erfinder derWasserstoffbombe, und zwei Kollegen im Kernforschungszentrum Los Alamos an den Mittagstisch setzt, reden sie nicht etwa über den Wein, die Pasta oder den Job, wie es die meisten Menschen tun würden. Sie beginnen eine Diskussion über die Möglichkeit von Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit – in den USA grassiert gerade das UFO-Fieber. Mitten im Gespräch unterbricht Fermi seine Kollegen und fragt: „Where is everybody?“ Wo sind sie alle? Sie – das sind die Außerirdischen, wie Fermis Kollegen sofort klar wird. Dann beginnt er zu rechnen und kommt zu dem Schluss, dass wir eigentlich schon oft Besuch von ET bekommen haben müssten. Das Fermi-Paradoxon ist geboren – denn wir haben bis heute keine Spur von ET entdeckt. [1]

Niels Boeing,2003

Was Enrico Fermi hier zur Sprache brachte, hatte gleich eine ganze Reihe von Implikationen. Deshalb möchte ich diese Frage mal aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beantworten.

  1. Ist die spontane Entstehung von Leben eher wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich? Ist daraus folgend die Annahme, es gäbe exoterristrisches Leben zu positiv (Rare Earth)? Oder ist die spontane Entstehung von Leben wahrscheinlich, wenn die Bedingungen stimmen?
  2. Mit welchen Argumenten wird der fehlende Nachweis exoterristrischen Lebens begründet und welche philosophischen, bzw theologischen Implikationen könnte das haben?

Enrico Fermi stellte bereits eine Berechnung an, die er nie veröffentlichte, doch ein anderer Kollege wartete bereits 11 Jahre später mit einer Gleichung auf. Der US – Astronom Frank Drake. Diese Gleichung sah wie folgt aus.

Quelle: Niels Boeing,2003

Eine Beispielrechnung kommt auf Ca 500 000 fremde Zivilisationen nur in der Milchstraße. Siehe hier: http://www.opentechnosphere.org/material/nbo2003_fermi-paradoxon.pdf

Die zugrundegelegten Parameter sind allerdings sehr hypothetisch, weswegen die Drakegleichung seither mit sehr unterschiedlichen Annahmen gefüttert wurde. [2]

„Die Drake-Gleichung hat nichts mit Wissenschaft zu tun“ Michael Crichton, 2003

Nicht alle sind so pessimistisch wie Michael Crichton, obwohl sein Statement unter Skeptikern große Beachtung fand. Die Astrophysikerin Sara Seger hat dagegen eine modifizierte Drake-Gleichung vorgeschlagen.

Die Drake-Seager-Gleichung | Die Gleichung funktioniert im Grund genauso wie die Drake-Gleichung. Lediglich die Faktoren haben eine leicht unterschiedliche Bedeutung: N* steht für die Zahl der Sterne, die sich mit den kommenden Teleskopen untersuchen lassen. fQ steht für den Anteil der ruhigen Sterne. fHZ ist der Anteil derjenigen, die einen Planeten in der habitablen Zone haben. fO beziffert den Anteil derjenigen, die für das JWST sichtbar an ihrem Stern vorüberziehen, und fL den Anteil der belebten. Von diesen werden schließlich nur diejenigen berücksichtigt, die eine messbare Biosignatur in der Atmosphäre hinterlassen, was sich durch den Faktor fS ausdrückt.

Sara Seger hält nur noch die letzten beiden Terme für Spekulativ, doch so einfach ist dies nicht. Denn die Vorstellung, dass Leben sich entwickelt sobald ein Planet seinen Heimatstern in der habitablen Zone umkreist, war schon bei der ursprünglichen Drakegleichung umstritten. Vielleicht braucht Leben weit mehr, als nur den richtigen Abstand vom Stern, den er umkreist. Wahrscheinlich bedarf es auch einer stabilen Umlaufbahn, Plattentektonik, einen Mond und einen Gasriesen, der Meteoriten ablenkt.

Ist die spontane Entstehung von Leben eher wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich? Ist daraus folgend die Annahme, es gäbe exoterristrisches Leben zu positiv (Rare Earth)? Oder ist die spontane Entstehung von Leben wahrscheinlich, wenn die Bedingungen stimmen?

Das Miller – Urey Experiment von 1953 sorgte zunächst für Euphorie, doch in der Folge zeigten sich immer mehr Widersprüche, so dass man mittlerweile von der Ursuppenhypothese abgerückt ist. Fast 70 Jahre später gibt es keine einheitliche Theorie zur Abiogenese (auch Chemische Evolution). Die wesentlichen Probleme mit der Abiogenese konnten bis heute nicht gelöst werden, so dass es der größte Unsicherheitsfaktor ist für der Beantwortung der Frage nach exoterristrischem Leben. Der Wissenschafts-Philosoph Karl Popper sah hier die Wissenschaft an ihre Grenzen stoßen.

Was den Ursprung des Lebens und des genetischen Codes zu einem beunruhigenden Rätsel macht, ist Folgendes: Der genetische Code hat keine biologische Funktion, es sei denn, er wird übersetzt; das heißt, es sei denn, es führt zur Synthese der Proteine, deren Struktur durch den Code festgelegt ist. Aber, wie Monod betont, besteht die Maschinerie, mit der die Zelle (zumindest die nicht-primitive Zelle, die die einzige ist, die wir kennen) den Code übersetzt „aus mindestens fünfzig makromolekularen Komponenten, die selbst in der DNA codiert sind“. (Monod, 1970; 1971)
Daher kann der Code nur unter Verwendung bestimmter Produkte seiner Übersetzung übersetzt werden. Dies bildet einen wirklich verwirrenden Zirkel; Es scheint ein Teufelskreis für jeden Versuch zu sein, ein Modell oder eine Theorie der Entstehung des genetischen Codes zu bilden.

So könnten wir mit der Möglichkeit konfrontiert sein, dass der Ursprung des Lebens (wie der Ursprung des Universums) eine undurchdringliche Barriere für die Wissenschaft und ein Rückstand auf alle Versuche wird, die Biologie auf Chemie und Physik zu reduzieren. [3]

Ayala, Francisco; Ayala, Francisco José; Ayala, Francisco Jose; Dobzhansky, Theodosius (1974). Studies in the Philosophy of Biology: Reduction and Related Problems. ISBN 9780520026490. Retrieved 18 October 2015.

Mit welchen Argumenten wird der fehlende Nachweis exoterristrischen Lebens begründet und welche philosophischen, bzw theologischen Implikationen könnte das haben?

Niels Boeing hat in seinem Paper 10 Thesen vorgeschlagen, die, in verschiedenen Versionen, ganz ähnlich immer wieder vorgeschlagen werden.

  • These 1: Wir sind die (bislang) einzige intelligente Spezies im All.
  • These 2: ET war schon auf der Erde und ist wieder verschwunden.
  • These 3 : Wir können ET nicht erkennen.
  • These 4 : ET sendet Signale aus, aber wir können diese (noch) nicht erkennen.
  • These 5 : ET meidet uns.
  • These 6 : ET hat noch nicht die Fähigkeit zur interstellaren Kommunikation erreicht.
  • These 7 : ET ist schon wieder ausgestorben.
  • These 8 : Das ganze All ist eine Illusion, die ET für uns erschaffen hat.
  • These 9 : ET lebt unbemerkbar in einem Paralleluniversum.
  • These 10: Wir selbst sind die Nachfahren von ET

Theologisch/Philosophische Implikationen und Fazit

Die Suche nach Exoplaneten und Biosignaturen in deren Atmosphäre geht sicher weiter. Aus der naturalistischen Perspektive nimmt man weiterhin an, dass es exoterristrisches Leben gibt, obwohl die Entstehung von Leben immernoch eins der größten Rätsel ist.

Interessant ist, dass dem fehlenden Befund mit Argumenten begegnet wird, die auch von gläubigen Menschen oder Theologen in Bezug auf die Existenz Gottes vorgebracht werden könnten. Argumente wie: Gott will sich nicht auf der Ebene wissenschaftlicher Beweise finden lassen, sondern auf der Ebene des Glaubens. Gott ist ausserhalb der Reichweite wissenschaftlicher Forschung. Gott entscheidet selbst, wenn er unwiderlegbar in die Welt interveniert. Hier zeigt sich bei Naturalisten schnell ein Doppelstandard. Denn ihre Antwort auf Enrico Fermis Frage greift zu recht ähnlichen Argumenten.

Fußnoten

[1] http://www.opentechnosphere.org/material/nbo2003_fermi-paradoxon.pdf

[2] Neue Drake-Gleichung: Würfelspiele mit E.T.

[3] Karl Popper | Wikiwand