Wenn der Mensch nicht über das nachdenkt, was in ferner Zukunft liegt, wird er das schon in naher Zukunft bereuen.
Konfuzius, Philosoph
In etwa 3 Mrd Jahren wird es zur Andromeda-Milchstraßen-Kollision kommen. Unsere Galaxie verschmilzt dann mit der benachbarten Andromeda-Galaxie. Ein Prozess, der selbst noch mal 3 Mrd Jahre in Anspruch nehmen wird. Konsequenzen für die Erde wird das kaum haben, denn zwischen den Sternen gibt es jede Menge Raum, sodass Zusammenstöße äußerst unwahrscheinlich sind. Doch in schon 1 Mrd Jahren soll unsere Sonne so heiß sein, dass die Erde zu einem ungemütlichen Ort werden könnte. Das liegt daran, dass die Strahlungsintensität der Sonne aufgrund der ablaufenden thermonuklearen Prozesse alle Milliarden Jahre um 10% zunimmt. Vielleicht führen die steigenden Temperaturen auch schon früher zu einer Veränderung der Redoxchemie der Meere, was dazu führen könnte, dass CO2 aus der Atmosphäre in großem Stil gebunden wird, was dann zu einem großen Verlust an Vegetation führt, die als Nahrungsgrundlage für Menschen und Tiere verloren geht. Noch verstörender mag die Hypothese sein, das Universum könnte sich jeden Moment auflösen. Messungen an Higgs-Teilchen und Topquark legen nahe, dass sich das Universum im Zustand eines falschen Vakuums befinden könnte. Einem metastabilen Zustand, der plötzlich mit dramatischen Folgen in ein echtes Vakuum übergehen könnte. Aber hier wie bei den meisten wissenschaftlichen Zukunftsprognosen gilt, neue Erkenntnisse können jederzeit das eine oder andere Szenario über den Haufen werfen.
Zugegeben, die Lebensrealität der meisten Menschen wird davon wohl kaum berührt. Da gibt es unmittelbarere zivilisatorische Bedrohungen wie Krieg, Klimawandel, Ressourcenknappheit und ein möglicher Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen. Laut den Prognosen des Club of Rome von 1972 und folgenden Updates von 1992—2016, droht ein Kollaps der Weltwirtschaft spätestens im Jahr 2100, bei einem „weiter so wie bisher“ bereits 2030. Die von diesem Gremium beschriebenen Trends haben sich hinsichtlich unserer konsumorientierten Weltwirtschaft und ihrer ökologischen Folgen als richtig erwiesen. Ob diese Prognosen im Detail so eintreffen bleibt abzuwarten. Zukunftsprognosen haben immer ein unsicheres Element, nicht nur beim Wetter.
„Yesterday is history. Tomorrow is a mystery. Today is a gift. That’s why it’s called the present.“ Alice Morse Earle
„die Gegenwart ist mit der Zukunft schwanger und mit der Vergangenheit erfüllt.“ Gottfried Wilhelm Leipnitz
Da die Zukunft der empirischen Forschung nur sehr begrenzt zugänglich ist, rede ich hier von einem metaphysischen Glauben und weil Zukunft für Menschen nur von Bedeutung ist, wenn es Menschen gibt, geht es um einen Glauben an den Fortbestand der [Menschen]Welt. Wenn auch so mancher Zeitgenosse nur im hier und jetzt zu leben scheint, so war und ist für tiefgründige Denker die Zukunft ein Sinn stiftendes Element. Selbst für Charles Darwin war es, ungeachtet der heute so oft postulierten Bedeutungslosigkeit menschlichen Dasein unannehmbar, dass die Menschheitsgeschichte irgendwann abrupt enden könnte.
Believing as I do that man in the distant future will be a far more perfect creature than he now is, it is an intolerable thought that he and all other sentient beings are doomed to complete annihilation after such long-continued slow progress.
( http://darwin-online.org.uk/page 92)
Der Glaube an eine wie auch immer geartete Zukunft scheint eine Anthropologische Konstante zu sein, obwohl sich aus empirischen Daten dafür keine Garantie ableiten lässt. Während für gläubige Menschen die Zukunft in den Händen Gottes liegt, ist sie für eine säkularisierte Gesellschaft völlig unsicher. So entfaltet die Zukunft in der Moderne ihre Anziehungskraft vor allem aus der Ambivalenz von Bedrohung und Fortschrittsoptimismus. Davon zeugen nicht nur Zukunftsutopien, wie der Marxismus, mit seinen im 20.Jhdt auch wissenschaftlich-technisch geprägten Utopien sondern auch das breitgefächerte Science Fiktion Genre, seit den 50er Jahren zunehmend auch mit dystopischen Entwürfen. Diese Art projektiver Imagination auf Zukünftiges scheint eine exklusiv menschliche Eigenart zu sein.
Viele unserer Sinn stiftenden Tätigkeiten hängen auch von der Zukunft ab. Jedes Bauwerk ist im Grunde eine Wette auf die Zukunft. Ein Buch zu schreiben, ist eine gute Möglichkeit etwas für die Nachwelt zu hinterlassen. Bibliotheken und Museen sind voll menschlicher Geistesprodukte. Das Bemühen dieses Erbe zu bewahren impliziert zweifellos das menschliche Selbstverständnis, in etwas größeres eingebunden zu sein, etwas was die eigene Endlichkeit übersteigt. In diesem Sinn ist der individuelle Sinn, den ein Mensch im Leben findet auch in einen größeren Kontext eingebunden.
Aus einer Welt, die nur als Produkt zielloser und zweckblinder Prozesse verstanden wird, lässt sich natürlich kein essenzieller Sinn ableiten. Und doch sind ein solcher Sinn und die Suche danach, ob sekular oder religiös, der menschlichen Psyche ebenso inhärent wie ein rein individueller Sinn, der sich nur auf den persönlichen Lebensentwurf beschränkt. Schließlich interessieren uns auch Fragen wie etwa jene zum rechten Handeln angesichts der geistig-spirituellen, sozialen und ökologischen Misere dieser Welt. Wird der Mensch seinem Wesen gerecht, wenn er sich lediglich auf den eigenen Lebensentwurf beschränkt und die universelle Sinnfrage ausblendet? Paradoxerweise ist der materialistische Nihilismus eines „Nach mir die Sintflut“ zu einer Zeit so stark verbreitet, in der man das Private gar nicht mehr vom Globalen trennen kann.