Natürlich ist diese Frage legitim. Aber nur dann, wenn man hier auch vergleichbares miteinander vergleichen kann. Die erste Prämisse des Kalam – Kosmologischen Arguments lautet: „Alles, was anfängt zu existieren, hat eine Ursache.“ Es wird also keine Prämissse eingeführt, die fordert, dass alles einen Anfang haben muss.
Um diese Frage also sinnvoll zu beantworten, müssste man zunächst einmal erörtern, ob wirklich alles einen Anfang haben muss. Eine Frage nach dem Ursprung ergibt sich sinnvoller Weise nur für Phänomene von denen wir wissen, dass sie einen Anfang hatten. Lange Zeit hat man geglaubt der Kosmos sei schon immer da gewesen, ohne Anfang. Das Weltbild des 20.Jhdts hat diese Vorstellung abgelöst. Die Väter der modernen Kosmologie konnten zeigen, dass unser Universum einen Anfang hatte. Diese Erkenntnis ist heute durch wissenschaftliche Beobachtungen bestätigt. Interessant ist jedoch, dass Vertreter atheistischer Weltbilder die Annahme eines unerschaffenen, ewigen Gottes kritisieren, während sie gleichzeitig ein ewiges Universum, oder zumindestens eine ewig existierende Materie, in ihren Argumenten fordern. Dazu später mehr.
Fazit: Das Postulat einer ewigen Entität ist sowohl Karakteristikum des Theismus, als auch rein naturalistischer Weltbilder.
Gemäß unserer Erfahrungswelt und wissenschaftlicher Erkenntnisse kennen wir vor allem eine Wirklichkeit mit Phänomenen, die einen Anfang hatten. (Universum vor 13,7 Mrd J, Erde 4,6 Mrd J, Leben vermutlich seit 3,8 Mrd J)
Es ist zunächst hilfreich zu Fragen, ob man an dieser Stelle einen zulässigen Analogieschluss auf einen Gott schließen kann, wie ihn etwa die Bibel beschreibt.
Der Analogieschluss
Um einen zulässigen Analogschluss zu ziehen, müssen die zu vergleichenden Teilbereiche der Wirklichkeit vergleichbar sein , zumindest zum Teil in wesentlichen Eigenschaften.
„Unter A.schluss versteht man das logische Verfahren, das zur Entdeckung von Unbekanntem durch Bekanntes dient, indem – im Gegensatz zur Deduktion (dem Schluss von der allgemeinen Regel auf den Einzelfall) und zur Induktion (dem Schluss vom Einzelfall auf die Regel) – von einem Einzelfall auf einen anderen geschlossen wird, und zwar nicht aufgrund einer allgemeinen Regel (weshalb der Schluss auch nur Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann), sondern aufgrund eben einer Ähnlichkeit zwischen den Einzelfällen: Aus der Übereinstimmung zweier oder mehrerer Sachverhalte hinsichtlich bestimmter Merkmale wird auf ihre Übereinstimmung auch in anderen, weiteren Merkmalen geschlossen.“ [1]
An dieser Stelle wird es problematisch. Vom Universum, vom Leben auf unserem Planeten, wissen wir jeweils, dass sie einen Anfang hatten. Von Gott können wir nicht wissen, ob ER einen Anfang hatte. Jedenfalls nicht losgelöst von dem was heilige Texte, wie etwa die Bibel übermitteln.
Die Bibel stellt uns einen Gott vor, der von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert. Also weder Anfang noch Ende hat. Dieser Gott ist hier auch der Schöpfer der Welt. Und hier kommen wir zu einem wesentlichen Punkt. Dieser Gott kann nicht erschaffen worden sein, dann wäre er nicht Gott, sondern Geschöpf. Es kann also hier gar keinen endlosen Regress geben.
Fazit: Wir haben hier eine physikalisch beschreibbare Welt, die einen Anfang hatte. Wir haben dort ein transzendentes Wesen, dass man nicht physikalisch beschreiben kann. Somit fehlt die Ähnlichkeit, die einen Analogieschluss ermöglicht, auf dessen Grundlage man für Gott einen Anfang fordern könnte.
Aber könnte man trotzdem nicht eine rein naturalistische Erklärung für das Entstehen des Universums finden? Ja, aber auch diese Forschung müsste, will sie nicht einen endlosen Regress bedienen, in einer Finalität enden. Deshalb müssen Atheisten den Ausweg in einem ewigen Universum oder Multiversum suchen. Materie tritt an die Stelle Gottes als ateleologisches Konzept. Kritk an dieser Haltung speist sich vor allem aus der zweckmäßigen Gestaltung der Welt, die man nicht allein den Selbstorganisationskräften der Materie zuschreiben kann, aber auch an der Unmöglichkeit aktual unendlicher Ereignisse.
Das Standardmodell der Kosmologie und das Kalam – Kosmologische Argument.
Das Kalam Argument[2] geht auf den persischen Theologen und Philosophen Al Ghazali zurück. Dieses Argument hat folgenden Aufbau:
1. Alles, was anfängt zu existieren, hat eine Ursache.
2. Das Universum hat angefangen zu existieren.
3. Also hat das Universum eine Ursache für seinen Anfang.
Während der ersten Prämisse kaum widersprochen werden kann, richtet sich Kritik meist gegen die zweite Prämisse. Vertreter rein naturalistischer Weltbilder müssen argumentieren, dass das Universum oder Materie in irgend einer Form schon immer existierte. Doch es kann keinen endlosen Regress an Ereignissen gegeben haben, wie Hilberts Hotel so schön illustriert[3]. Schon Al Ghazali erkannte, dass das zu absurden Paradoxien führen würde. Dazu formulierte er ein 2. philosophisches Argument.
1. Ein aktual bzw. tatsächliches Unendliches kann nicht existieren.
2. Ein unendlicher temporaler Regress von Ereignissen ist ein aktual Unendliches.
3. Also kann ein unendlicher temporaler Regress von Ereignissen nicht existieren.
Weil eine unendlich in die Vergangenheit verlängerte Kette physikalisch – kausaler Ereignisse zu Widersprüchen führt, ist es eine durchaus vertretbare Annahme, dass am Anfang eine nichtmaterielle Ursache stand.
Das unser Universum einen absoluten Anfang hatte, ist heute gesichertes Wissen. Mit dem „Urknall“ des Standardmodells begannen Raum und Zeit. Materie, wie wir sie kennen beginnt erst in Raum und Zeit zu existiern. Trotzdem haben Wissenschaftler versucht diesen absoluten Anfang zu umgehen. So schreibt etwa Stephen Hawking:
„Vielen Menschen gefällt die Vorstellung nicht, daß die Zeit einen Anfang hat, wahrscheinlich weil sie allzusehr nach göttlichem Eingriff schmeckt […]
Deshalb wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Urknalltheorie zu widerlegen. Breiteste Anerkennung fand die sogenannte Steady-State-Theory“ (Eine kurze Geschichte der Zeit, S 68)
Die Steady-State wurde 1948 von Hermann Bondi, Fred Hoyle und Thomas Gold eingeführt und gilt heute als überholt.
„Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung im Jahr 1965 führte zur weitgehenden Ablehnung des Modells, da nur das heutige Standardmodell der Kosmologie eine natürliche Erklärung des Strahlungs-hintergrunds liefert.“[4]
Welchen Erfolg hatten andere Modelle in dem Bemühen einen absoluten Anfang des Universums zu umgehen?
„In einem gewissen Sinne kann man die Geschichte der Kosmologie im 20. Jahrhundert auch als eine Serie fehlgeschlagener Versuche sehen, den im Standardmodell des Urknalls prognostizierten absoluten Anfang zu umgehen. Diese Prognose steht nun seit beinahe 100 Jahren, einer Zeit enormer Fortschritte in der beobachtenden Astronomie und kreativer theoretischer Arbeit in der Astrophysik.“[5]
Welche Beobachtungen bestätigen einen absoluten Anfang:
- Die Ausdehnung des Raumes weist auf einen Anfang vor ca 13,7 Mrd Jahren
- Das Universum befindet sich in einem thermodynamischen Ungleichgewicht. Das wäre nicht der Fall, wenn es schon ewig existieren würde.
- Das Universum enthält mehr Wasserstoff als Helium, was zeigt, dass es noch jung ist.
- Die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung bestätigt eine Vorraussage des Standardmodell’s, welche auf eine Zeit 380 000 J nach dem Urknall verweist.
In jüngerer Zeit zeigte das Borde-Guth-Vilenkin-Theorem, das kein Universum mit klassischer Raum-Zeit Realität eine unendliche Vergangenheit haben kann.[6]
Zur Multiversum – Theorie, einer Erweiterung der „Urknalltheorie“, hier noch ein Bonmot von Harald Lesch.
Der Astrophysiker Harald Lesch auf die Frage: Glauben Sie an die Viele-Welten-Theorie? Leben wir in einem Multiversum?: „…Das ist eine Sache, mit der kann ich überhaupt nichts anfangen. Ehrlich gesagt, ist das der verzweifelte Versuch, um Gott herum zu kommen. Man versteht nicht, warum dieses eine Universum so wahnsinnig tolle Eigenschaften hat, also versucht man, das mit vielen Universen zu machen. Das ist für mich ein naturwissenschaftlich völlig sinnloser Ansatz, denn andere Universen entziehen sich per Definition einer experimentellen Überprüfung.“[7]
Wenn Gott das Universum erschaffen hat, müsste man da nicht etwas messen können?
So wird gelegentlich argumentiert, doch offensichtlich ist hier momentan, oder generell, die Grenze der Forschung. Das Standardmodell beschreibt die Entwicklung des Universums ab einer Planckzeit nach dem Urknall. Auf den Zustand davor hat die Physik keinerlei Zugriff. Die Anfangssingularität existiert nur als mathematisches Modell. Wenn es sie gegeben hat, hatte sie keinen Ereignishorizont. Eine absolute Blackbox also. Darüber, und über die Frage, ob Gott ausserhalb der Zeit das Universum erschaffen konnte, hab ich auch hier schon was geschrieben:
Wenn Materie niemals geschaffen oder zerstört werden kann, woher kam dann das erste Stück Materie?
Der Urknall hat das Universum erschaffen. Was hat den Urknall erschaffen?
Zum Abschluss hier noch ein Zitat zu den Grenzen der Wissenschaft:
„Atheismus ist eine legitime Überzeugung, wissenschaftlich begründen lässt sie sich nicht. Gott mithilfe der Wissenschaft zu widerlegen, scheint mir genauso unsinnig wie der Versuch, Gott mithilfe der Wissenschaft zu beweisen. Nicht nur Schwarze Löcher zeigen uns, dass Grenzen Teil unserer Welt sind. Wer es wagt, über die Grenzen der Physik hinaus zu fragen, kommt an Gott nicht vorbei… Ich denke, eine gänzlich gottlose Physik ist nicht möglich, wenn man wirklich bis an die Grenze menschlichen Erkennens fragt… Gott ist heute nötiger denn je.“ Heino Falcke, Radioastronom[8]
Fußnoten
[1] Analogie, Analogieschluss
[2] Das kalam-kosmologische Argument | Reasonable Faith
[3] Hilberts Hotel
[4] Steady-State-Theorie
[5] Das kalam-kosmologische Argument | Reasonable Faith
[6] Borde–Guth–Vilenkin theorem | Wikiwand
[7] Interview mit Prof. Dr. Harald Lesch
[8] Heino Falckes Werk „Licht im Dunkeln“: Das Schwarze Loch – und dahinter dann Gott?