Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts? Teil 1

Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts? Teil 1

Überlegungen gibt es dazu seit Leibnitz: Er hat diese Frage schon im 17. Jahrhundert gestellt; im 20. Jahrhundert war es unter anderem Martin Heidegger, der sich mit der Frage befasste, warum überhaupt etwas existiert und nicht viel mehr nichts.

Die moderne Philosophie sagt, dass man die Frage nur beantworten kann unter der Prämisse, dass es immer schon etwas gegeben hat. Ein Kosmologe würde die Urknall-Theorie heranziehen. Allerdings: Auch er setzt dabei voraus, dass es etwas schon immer gab: Die beim Urknall frei gesetzte ungeheure Menge von Energie nämlich muss existiert haben – vor dem Knall.

Eigentlich kann man die Frage deshalb nur religiös beantworten. Allerdings: Auch wer mit Gott argumentiert, setzt voraus, dass es den bereits gegeben hat, bevor die Welt existierte. Also müssen wir gestehen: Eine verbindliche Antwort gibt es nicht. Die Frage schon.

Prof. Dr. Peter Rohs, emeritierter Professor an der Universität Münster und Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Philosophischen Gesellschaft, Bad Homburg. auf wissenschaft-im-dialog

Die Frage, wie verbindlich eine Antwort hier sein kann, hängt letztlich davon ab, wie gut und plausibel die Antwort selbst ist. Da es sich hier um eine Ursprungsfrage dreht, die sich dem empirischen Zugriff der Wissenschaft entzieht, kann sie wohl, wie im obigen Zitat richtig bemerkt, nur religiös oder philosophisch beantwortet werden. Dennoch macht es Sinn, und man wird nicht drumherum kommen, Erkenntnisse der Kosmologie bei der Antwortsuche mit einzubeziehen.

Auch wer mit Gott argumentiert, setzt etwas voraus.“ Das geht implizit schon aus dem ersten Satz der Genesis hervor. Im Grunde drehen sich alle weltanschaulichen Diskussionen an dieser Stelle um die Frage, ob man ateleologische Naturprozesse, ein unpersönliches göttliches Prinzip oder einen Schöpfer mit personenhaften Zügen voraussetzen kann. In Diskussionen mit Naturalisten begegnet man oft zwei Argumentationssträngen. Entweder es wird eine ewige, i.e. zeitungebundene Quantenfluktuation vermutet, die nach dem statistischen Zufallsprinzip dann schließlich zu unserem Universum geführt haben soll oder man leugnet das Kausalitätsprinzip einfach für den Anfang, obwohl man es für den existenten Kosmos voraussetzt. Beispielgebend soll dafür die Entstehung von virtuellen Teilchen im Quantenvakuum sein, obwohl hier nichts akausal entsteht. Vielmehr wird hier ein Pulsieren der 0-Punkt Energie intuitiv beschrieben. Ob daraus Materie entstehen kann, mag Gegenstand von Hypothesen sein, empirisch gesichert ist das allerdings nicht. Auf jeden Fall aber setzt man auch hier etwas voraus, was bereits da ist – Energie.

Alle naturalistischen Erklärungen stehen jedoch vor dem Feinetuning-Problem, also der Frage, warum wir genau dieses Universum erleben, dass von Anfang an auf die Existenz von intelligentem Leben abgestimmt ist. Warum organisiert sich die Materie in immer komplexeren Formen und funktionalen Systemen bis hin zum menschlichen Bewusstsein, Systeme, die aus den Eigenschaften der Materie selbst nicht mehr erklärt werden können?

Natürlich gibt es ein Für und Wieder zur Frage der feinabgestimmten Naturkonstanten und Fundamentalkräfte. Darauf gehe ich im 2.Teil ein.

Die Gehenna – Entgültiger Tod oder Ort der Qual?

Gehenna: Hebr.: גי הנם (gē hinnóm, „Tal Hinnom“); gr.: γέεννα (géenna); lat.: gehẹnna, bezeichnet das Tal Hinnom (Ge Ben Hinnom). Heute identifiziert man diesen Ort mit dem „Wadi al-Rababah“.

Valley of Hinnom PA180090.JPG – Wikimedia Commons

Bedeutung im AT bzw Tanach

Im Zuge der Aufteilung des Landes unter Josua wird das Tal Hinnom erstmals erwähnt (Jos 15:8, 18:6) Später wird es in Verbindung mit dem Scherbentor erwähnt, wo Jeremia eine Botschaft JHWH’s verkünden soll (Jer. 19:2)
Diese Botschaft bezieht sich auf die nahende Vernichtung durch die Babylonier unter Nebukadnezar II.

‚„Darum kommen die Tage“, erklärt Jehova, „da wird man diesen Ort nicht mehr Tọphet oder das Tal des Sohnes Hịnnoms nennen, sondern das Tal des Abschlachtens. Ich werde an diesem Ort die Pläne Judas und Jerusalems durchkreuzen und sie vor ihren Feinden durch das Schwert fallen lassen, durch die Hand derer, die es auf ihr Leben abgesehen haben. Ihre Leichname werde ich den Vögeln des Himmels und den Tieren der Erde zum Fraß geben (Jeremia 19:6,7)

Während er Regierungszeit Manasses in Juda übernahm man den paganen Brauch, dem Molech Kinder zu opfern. Das Tal Hinnom wurde zur zentralen Kultstätte für diesen Brauch. Manasse selbst opferte eigene Söhne auf diese Weise (2.Chr. 28:3; 33:6). JHWH verurteilte diese Praxis scharf. Durch den Propheten Jeremia ließ der Bundesgott Israels folgende Botschaft überbringen.

. . .Sie haben die Höhen des Tọphet errichtet, das im Tal des Sohnes Hịnnoms ist, um ihre Söhne und ihre Töchter zu verbrennen, etwas, was ich nicht angeordnet habe und was mir nie in den Sinn gekommen ist.‘ ‚Darum kommen die Tage‘, erklärt Jehova, ‚da wird man es nicht mehr Tọphet oder das Tal des Sohnes Hịnnoms nennen, sondern das Tal des Abschlachtens. Man wird im Tọphet Tote begraben, bis es keinen Platz mehr gibt. . .(Jeremia 7:31, 32) Siehe auch Jer 32:35

König Josia entweihte später diesen Kultort, um weitere Opfer an dieser Stelle zu verhindern. (2. Könige 23:10) Ab dieser Zeit wurde das Tal Hinnom nur noch als Müllabladeplatz benutzt. Das schloß auch die Entsorgung der Leichen von Personen ein, die keines ehrbaren Begräbnisses für würdig erachtet wurden.
Eine solche Behandlung brachte zum Ausdruck, dass derjenige keine Aussicht auf eine Auferstehung hatte.

Der jüdische Theologe und Hebraist David Kimchi[1] schreibt in seinem Kommentar zu Psalm 27:13

„In der Umgebung von Jerusalem existiert ein widerlicher Ort, in den man unreine Dinge und Leichname hinabwarf. Ebenso war dort ein ständiges Feuer, um die unreinen Dinge und die Knochen [der Leichname] zu verbrennen. Daher wird das Gericht der Bösen sinnbildlich Gehinnom genannt.“ (Die Übersetzung erfolgte nach dem hebräischen Text aus dem Werk ספר תהילים [Buch der Psalmen], 5302 a. m. [1542 u. Z.].)

Endgültiger Tod oder Ort der Qual?

Wie wir gesehen haben, war die Gehenna bis ins 1.Jhdt ein Müllverbrennungsplatz nahe der Stadtmauer Jerusalems. Wärend der Periode des 2. Tempels wurde dieser Ort auch als Symbol für das göttliche Gericht gebraucht. Aber schloss das eine ewige Qual in einer Feuerhölle ein? Diese Frage kann man klar mit nein beantworten, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen finden wir keine Vorstellung einer unsterblichen Seele in den kanonischen Schriften (AT,NT).

Die Seele ist kein vom Leib trennbares Lebensprinzip, das in sich besteht. Der Tod ist keine Trennung von Leib und Seele, sondern ein Ausströmen der Lebenskraft…

(Kleines Bibellexikon, Evangelische Hauptbibelgesellschaft zu Berlin und Altenburg 1988 S. 249)

Der Glaube an eine unsterbliche Seele gehörte ursprünglich weder zur jüdischen – noch zur frühchristlichen Theologie des 1. Jhdts. Vorstellungen von einer unsterblichen Seele wurden erst später aus der griechischen Philosophie übernommen. Die Seele (Hebr.: נפש (néphesch); gr.: ψυχή (psychḗ); lat.: ạnima ) steht in der Bibel für den ganzen Menschen oder für den Wert des Lebens an sich. (1. Mose 2:7). Die Seele ist sterblich. (Hes 18:4). Tote werden als tote Seelen bezeichnet
(4. Mose 6:6; 3. Mose 21:11) Jakobus spricht nicht von der Seele, dagegen ist der Körper ohne Geist tot. (Jak 2:26). Den Toten ist nichts bewusst, was auch gegen ein Fortleben einer Seele nach dem Tod spricht.
(Pred 9:5, Ps 146:3;4).
So ist die Gehenna kein Ort der Qual, sondern ein Symbol für den ewigen und entgültigen Tod.
Das wird auch durch ausserbiblische jüdische Texte aus der Periode des 2. Tempels bestätigt. Hier ist die Bedeutung der Gehenna vor allem mit der Rede vom 2. Tod[2] verbunden. Ein Begriff der im hebräischen Text des Tanach nicht vorkommt, aber durchgehend in Targumen[3] und rabbinischen Texten, sowie im NT. Im NT ist ausschließlich in der Offenbarung vom 2. Tod die Rede. (Im Verständnis der Apokalypse ist „ewige Verdammnis“ also keineswegs ein Ort ewiger Qual, sondern vielmehr die ewige Vernichtung, der „Gang ins Nichtsein“.[4] Pablo Richard: Apokalypse. Das Buch von Hoffnung und Widerstand. Ein Kommentar. Edition Exodus, Luzern 1996, ISBN 3-905577-00-3, S. 224; S. 247.)
Von der buchstäblichen Gehenna und ihrer Bedeutung wurde das Symbol eines ‘Sees, der mit Feuer und Schwefel brennt’, abgeleitet (Off 19:20; 20:10, 14, 15; 21:8).

Maimonides declares, in his 13 principles of faith, that the souls of the wicked would be punished with annihilation. Maimonides’ Introduction to Perek Helek, publ. and transl. by Maimonides Heritage Center, p. 22-23.

In diesem Sinn verwendete auch Jesus den Begriff ‚Gehenna‘ in Matthäus 10:28. Die Seele wird in der Gehenna vernichtet, nicht gequält. Die Gehenna hat im biblischen Kontext und in vielen frühen, nicht – kanonischen Texten des Judentums nichts mit einer Hölle gemein, einem Ort der Qual, wie er sich in der späteren, vor allem mittelalterlichen Theologie findet.
Fazit: Die Gehenna ist ein Symbol für den entgültigen, ewigen Tod.

Fußnoten:

[1] David Kimchi

[2] Second death | Wikiwand

[3] Targum | Wikiwand

[4] Zweiter Tod | Wikiwand

„Wenn Gott alles erschaffen hat – wie ist dann Gott entstanden?“

Natürlich ist diese Frage legitim. Aber nur dann, wenn man hier auch vergleichbares miteinander vergleichen kann. Die erste Prämisse des Kalam – Kosmologischen Arguments lautet: „Alles, was anfängt zu existieren, hat eine Ursache.“ Es wird also keine Prämissse eingeführt, die fordert, dass alles einen Anfang haben muss.
Um diese Frage also sinnvoll zu beantworten, müssste man zunächst einmal erörtern, ob wirklich alles einen Anfang haben muss. Eine Frage nach dem Ursprung ergibt sich sinnvoller Weise nur für Phänomene von denen wir wissen, dass sie einen Anfang hatten. Lange Zeit hat man geglaubt der Kosmos sei schon immer da gewesen, ohne Anfang. Das Weltbild des 20.Jhdts hat diese Vorstellung abgelöst. Die Väter der modernen Kosmologie konnten zeigen, dass unser Universum einen Anfang hatte. Diese Erkenntnis ist heute durch wissenschaftliche Beobachtungen bestätigt. Interessant ist jedoch, dass Vertreter atheistischer Weltbilder die Annahme eines unerschaffenen, ewigen Gottes kritisieren, während sie gleichzeitig ein ewiges Universum, oder zumindestens eine ewig existierende Materie, in ihren Argumenten fordern. Dazu später mehr.

Fazit: Das Postulat einer ewigen Entität ist sowohl Karakteristikum des Theismus, als auch rein naturalistischer Weltbilder.

Gemäß unserer Erfahrungswelt und wissenschaftlicher Erkenntnisse kennen wir vor allem eine Wirklichkeit mit Phänomenen, die einen Anfang hatten. (Universum vor 13,7 Mrd J, Erde 4,6 Mrd J, Leben vermutlich seit 3,8 Mrd J)
Es ist zunächst hilfreich zu Fragen, ob man an dieser Stelle einen zulässigen Analogieschluss auf einen Gott schließen kann, wie ihn etwa die Bibel beschreibt.

Der Analogieschluss

Um einen zulässigen Analogschluss zu ziehen, müssen die zu vergleichenden Teilbereiche der Wirklichkeit vergleichbar sein , zumindest zum Teil in wesentlichen Eigenschaften.

Unter A.schluss versteht man das logische Verfahren, das zur Entdeckung von Unbekanntem durch Bekanntes dient, indem – im Gegensatz zur Deduktion (dem Schluss von der allgemeinen Regel auf den Einzelfall) und zur Induktion (dem Schluss vom Einzelfall auf die Regel) – von einem Einzelfall auf einen anderen geschlossen wird, und zwar nicht aufgrund einer allgemeinen Regel (weshalb der Schluss auch nur Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann), sondern aufgrund eben einer Ähnlichkeit zwischen den Einzelfällen: Aus der Übereinstimmung zweier oder mehrerer Sachverhalte hinsichtlich bestimmter Merkmale wird auf ihre Übereinstimmung auch in anderen, weiteren Merkmalen geschlossen.“ [1]

An dieser Stelle wird es problematisch. Vom Universum, vom Leben auf unserem Planeten, wissen wir jeweils, dass sie einen Anfang hatten. Von Gott können wir nicht wissen, ob ER einen Anfang hatte. Jedenfalls nicht losgelöst von dem was heilige Texte, wie etwa die Bibel übermitteln.

Die Bibel stellt uns einen Gott vor, der von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert. Also weder Anfang noch Ende hat. Dieser Gott ist hier auch der Schöpfer der Welt. Und hier kommen wir zu einem wesentlichen Punkt. Dieser Gott kann nicht erschaffen worden sein, dann wäre er nicht Gott, sondern Geschöpf. Es kann also hier gar keinen endlosen Regress geben.

Fazit: Wir haben hier eine physikalisch beschreibbare Welt, die einen Anfang hatte. Wir haben dort ein transzendentes Wesen, dass man nicht physikalisch beschreiben kann. Somit fehlt die Ähnlichkeit, die einen Analogieschluss ermöglicht, auf dessen Grundlage man für Gott einen Anfang fordern könnte.

Aber könnte man trotzdem nicht eine rein naturalistische Erklärung für das Entstehen des Universums finden? Ja, aber auch diese Forschung müsste, will sie nicht einen endlosen Regress bedienen, in einer Finalität enden. Deshalb müssen Atheisten den Ausweg in einem ewigen Universum oder Multiversum suchen. Materie tritt an die Stelle Gottes als ateleologisches Konzept. Kritk an dieser Haltung speist sich vor allem aus der zweckmäßigen Gestaltung der Welt, die man nicht allein den Selbstorganisationskräften der Materie zuschreiben kann, aber auch an der Unmöglichkeit aktual unendlicher Ereignisse.

Das Standardmodell der Kosmologie und das Kalam – Kosmologische Argument.

Das Kalam Argument[2] geht auf den persischen Theologen und Philosophen Al Ghazali zurück. Dieses Argument hat folgenden Aufbau:

1. Alles, was anfängt zu existieren, hat eine Ursache.

2. Das Universum hat angefangen zu existieren.

3. Also hat das Universum eine Ursache für seinen Anfang.

Während der ersten Prämisse kaum widersprochen werden kann, richtet sich Kritik meist gegen die zweite Prämisse. Vertreter rein naturalistischer Weltbilder müssen argumentieren, dass das Universum oder Materie in irgend einer Form schon immer existierte. Doch es kann keinen endlosen Regress an Ereignissen gegeben haben, wie Hilberts Hotel so schön illustriert[3]. Schon Al Ghazali erkannte, dass das zu absurden Paradoxien führen würde. Dazu formulierte er ein 2. philosophisches Argument.

1. Ein aktual bzw. tatsächliches Unendliches kann nicht existieren.

2. Ein unendlicher temporaler Regress von Ereignissen ist ein aktual Unendliches.

3. Also kann ein unendlicher temporaler Regress von Ereignissen nicht existieren.

Weil eine unendlich in die Vergangenheit verlängerte Kette physikalisch – kausaler Ereignisse zu Widersprüchen führt, ist es eine durchaus vertretbare Annahme, dass am Anfang eine nichtmaterielle Ursache stand.

Das unser Universum einen absoluten Anfang hatte, ist heute gesichertes Wissen. Mit dem „Urknall“ des Standardmodells begannen Raum und Zeit. Materie, wie wir sie kennen beginnt erst in Raum und Zeit zu existiern. Trotzdem haben Wissenschaftler versucht diesen absoluten Anfang zu umgehen. So schreibt etwa Stephen Hawking:
„Vielen Menschen gefällt die Vorstellung nicht, daß die Zeit einen Anfang hat, wahrscheinlich weil sie allzusehr nach göttlichem Eingriff schmeckt […]
Deshalb wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Urknalltheorie zu widerlegen. Breiteste Anerkennung fand die sogenannte Steady-State-Theory“ (Eine kurze Geschichte der Zeit, S 68)

Die Steady-State wurde 1948 von Hermann Bondi, Fred Hoyle und Thomas Gold eingeführt und gilt heute als überholt.

„Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung im Jahr 1965 führte zur weitgehenden Ablehnung des Modells, da nur das heutige Standardmodell der Kosmologie eine natürliche Erklärung des Strahlungs-hintergrunds liefert.“[4]

Welchen Erfolg hatten andere Modelle in dem Bemühen einen absoluten Anfang des Universums zu umgehen?

„In einem gewissen Sinne kann man die Geschichte der Kosmologie im 20. Jahrhundert auch als eine Serie fehlgeschlagener Versuche sehen, den im Standardmodell des Urknalls prognostizierten absoluten Anfang zu umgehen. Diese Prognose steht nun seit beinahe 100 Jahren, einer Zeit enormer Fortschritte in der beobachtenden Astronomie und kreativer theoretischer Arbeit in der Astrophysik.“[5]

Welche Beobachtungen bestätigen einen absoluten Anfang:

  1. Die Ausdehnung des Raumes weist auf einen Anfang vor ca 13,7 Mrd Jahren
  2. Das Universum befindet sich in einem thermodynamischen Ungleichgewicht. Das wäre nicht der Fall, wenn es schon ewig existieren würde.
  3. Das Universum enthält mehr Wasserstoff als Helium, was zeigt, dass es noch jung ist.
  4. Die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung bestätigt eine Vorraussage des Standardmodell’s, welche auf eine Zeit 380 000 J nach dem Urknall verweist.

In jüngerer Zeit zeigte das Borde-Guth-Vilenkin-Theorem, das kein Universum mit klassischer Raum-Zeit Realität eine unendliche Vergangenheit haben kann.[6]

Zur Multiversum – Theorie, einer Erweiterung der „Urknalltheorie“, hier noch ein Bonmot von Harald Lesch.

Der Astrophysiker Harald Lesch auf die Frage: Glauben Sie an die Viele-Welten-Theorie? Leben wir in einem Multiversum?: „…Das ist eine Sache, mit der kann ich überhaupt nichts anfangen. Ehrlich gesagt, ist das der verzweifelte Versuch, um Gott herum zu kommen. Man versteht nicht, warum dieses eine Universum so wahnsinnig tolle Eigenschaften hat, also versucht man, das mit vielen Universen zu machen. Das ist für mich ein naturwissenschaftlich völlig sinnloser Ansatz, denn andere Universen entziehen sich per Definition einer experimentellen Überprüfung.“[7]

Wenn Gott das Universum erschaffen hat, müsste man da nicht etwas messen können?

So wird gelegentlich argumentiert, doch offensichtlich ist hier momentan, oder generell, die Grenze der Forschung. Das Standardmodell beschreibt die Entwicklung des Universums ab einer Planckzeit nach dem Urknall. Auf den Zustand davor hat die Physik keinerlei Zugriff. Die Anfangssingularität existiert nur als mathematisches Modell. Wenn es sie gegeben hat, hatte sie keinen Ereignishorizont. Eine absolute Blackbox also. Darüber, und über die Frage, ob Gott ausserhalb der Zeit das Universum erschaffen konnte, hab ich auch hier schon was geschrieben:

Wenn Materie niemals geschaffen oder zerstört werden kann, woher kam dann das erste Stück Materie?

Der Urknall hat das Universum erschaffen. Was hat den Urknall erschaffen?

Zum Abschluss hier noch ein Zitat zu den Grenzen der Wissenschaft:

„Atheismus ist eine legitime Überzeugung, wissenschaftlich begründen lässt sie sich nicht. Gott mithilfe der Wissenschaft zu widerlegen, scheint mir genauso unsinnig wie der Versuch, Gott mithilfe der Wissenschaft zu beweisen. Nicht nur Schwarze Löcher zeigen uns, dass Grenzen Teil unserer Welt sind. Wer es wagt, über die Grenzen der Physik hinaus zu fragen, kommt an Gott nicht vorbei… Ich denke, eine gänzlich gottlose Physik ist nicht möglich, wenn man wirklich bis an die Grenze menschlichen Erkennens fragt… Gott ist heute nötiger denn je.“ Heino Falcke, Radioastronom[8]

Fußnoten
[1] Analogie, Analogieschluss
[2] Das kalam-kosmologische Argument | Reasonable Faith
[3] Hilberts Hotel
[4] Steady-State-Theorie
[5] Das kalam-kosmologische Argument | Reasonable Faith
[6] Borde–Guth–Vilenkin theorem | Wikiwand
[7] Interview mit Prof. Dr. Harald Lesch
[8] Heino Falckes Werk „Licht im Dunkeln“: Das Schwarze Loch – und dahinter dann Gott?